„Nirgendwo strahlt der Himmel so schön grau wie in Hamburg“ – steht auf einer Postkarte im Souveniershop – und so war es auch Mitte Januar, um die 5 Grad, nebelig und nieselig. Sich treiben lassen ist da keine Option – ein guter Plan musste her.
Freitag
Ankunft mit der Bahn gegen 18 Uhr. Schnell ein typisches Franz-Brötchen am Hamburger HBF gekauft und ab zum Hotel, nur eine U-Bahn Station entfernt. Aufgehalten wird sich nicht, stattdessen wollen wir ein Stück Hamburg bei Nacht erkunden. Wir fahren zum Michel (St. Michaelis), das Wahrzeichen Hamburgs.
Die Aussicht vom Kirchturm soll beeindruckend sein, er ist etwa 130m hoch (es gibt einen Fahrstuhl). Am Wochenende ist der Aufstieg auf die Aussichtsplattform auch abends möglich.
Oben angekommen ist es vor allem erstmal eins: dunkel, windig, feucht, einsam. Mit beschlagener Brille stolpern wir auf die Plattform, sehen nichts, spüren Nässe und Wind – ein beängstigendes, komisches Gefühl. Wir können die Plattform einmal umrunden, sehen den beleuchteten Hafen, die vielen Autos auf den Straßen, beleuchtete Hochhäuser. Aber wirklich beeindruckt hat mich das Wetter – irgendwie sind wir raus aus der realen Welt da oben.
Beim Abstieg, jetzt gehen wir Treppen, kommen wir am Uhrwerk vorbei, sowie an verschiedenen Glocken. Die Etagen werden unterschiedich genutzt, als Museum, pädagogische Workshopfläche oder Abstellbereich für Steinmetzarbeiten – interessant.
Jetzt was essen! Wir „landen“ im portugiesischen Viertel, 5 Minuten vom Michel entfernt. Das Portugiesenviertel entstand in den 1960er Jahren. Sogenannte „Gastarbeiter“ , in diesem Falle aus Portugal, wollten nah an ihrer Arbeitsstätte am Hafen wohnen.
Heute gibt es hier viele portugiesische Restaurants, die gut bezahlbare Fischgerichte anbieten, aber auch interessante Läden. So stolpern wir an einem Laden für Petroleumlampenbedarf vorbei.
Auch interessant: kurz hintereinanderweg kommen wir an der schwedischen, der norwegischen und der finnischen Gemeinde vorbei. Das Angebot der finnischen Gemeinde überrascht mich, vielleicht gehe ich hier wirklich irgendwann einmal in die Sauna.
Nach dem Essen bummeln wir durch die Speicherstadt sowie die Gegend rund um die Elbphilharmonie.
Samstag
Heute soll es zur Hamburger Kunsthalle gehen – Kunst und Dinner – haben wir gebucht. Das Event beginnt mit Kaffee/Tee und Gebäck um 11 Uhr im Museumscafe. Wir sind eine überschaubare Gruppe und werden nach dem Kaffee durch die Ausstellung der Impressionisten geführt.
Unsere nette Kunstexpertin erklärt uns auf angenehme Art und Weise was Impressionismus auszeichnet, wie die Sammung in der Kunsthalle entstand aber auch Hintergrundinformationen zu den einzelnen Gemälden konnte sie vermitteln.
Es ging darum, Stimmungen einzufangen. Beeindruckend, wie die Lichteffekte vor so vielen Jahren auf die Leinwand gebracht wurden und heute noch so schön sind.
besonders beeindruckt hat mich das folgende Bild: Nana
Dieses Bild war ein großer Aufreger! Monet malt die Geliebte eines Barons (heute würde man vlt. sagen eine Edelprostituierte). Dass es Prostitution gab, war nicht der Grund der Empörung, aber eine Frau des Volkes in der Größe auf Öl zu bringen, dazu noch mit dem Blick zum Betrachter, galt als ungehörig. Wenn eine Frau damals einen Mann länger in die Augen sah, sei davon auszugehen gewesen, dass es sich um eine Prostituierte handelte. Die „anständige“ Frau hält den Blick gesenkt.
Nach dieser ersten Führung gab es das Mittagessen im Restaurant – cube- wirklich lecker.
Danach wurden wir durch die aktuelle Sonderausstellung Toyen geführt. Toyen lebte von 1902 bis 1980 und gehört zu den Surrealisten. Obwohl es sich um eine große Künstlerin handelt, ist sie kaum bekannt, was wohl daran liegen mag, dass die Kunstszene lange (immer noch?) männlich geprägt war.
Anhand ihrer Bilder erklärt uns unsere Führerin die Aspekte des Surrealismus. Ich würde mir die Bilder nicht unbedingt zu Hause aufhängen, ich finde sie nicht „schön“ im eigentlichen Sinne. Dennoch fasziniert der Blick auf ihre Bilder im Laufe ihres Schaffens, da sie das Zeitgeschehen dokumentieren (Krieg, Faschismus) und einen Einblick in ihre eher unbekannte Persönlichkeit geben.
Satt im Bauch und satt an Eindrücken gehts nach kurzem Bummel durch die Einkaufsmeile zum Ausruhen zurück ins Hotel.
Am Abend besuchen wir die Whisky-Plaza in der Deichstraße. Eine Bar mit extra großer Whisky-Karte. Da mein Schatz Whiskyliebhaber ist, müssen wir dahin. Und auch ohne Werbeauftrag muss ich die Bar anpreisen. Die Whiskykarte ist so dick wie eine alte mittelalterliche Bibel, die Bar untergebracht in einem alten Aalspeicher (1697), liebevoll eingerichtet, die Bedienung aufmerksam und sehr freundlich. Hier kann man gut sein. Es gibt übrigens auch auch sehr viele leckere Whiskyalternativen sowie Speisegerichte und snacks.
Glücklich und beschwipst fallen wir an dem Abend in unsere Betten.
Sonntag
Der Höhepunkt der Reise sollte der Besuch der Elbphilharmonie werden. Tatsächlich ist das Konzert trotz hoher Coronainzidenzen nicht abgesagt worden! Um 10 Uhr ging es mit einer Einführung los, aber schon der Weg in den Konzertsaal war beeindruckend.
Wir sitzen mit tollem Blick auf das Orchester, welches um die 100 Personen umfasst.
Wir hören 2 unterschiedliche Stücke von dem Stardirigent Esa – Pekka Salonen dirigiert und (im ersten Stück) sogar selbst komponiert. Es wird richtig laut! Die Aussage man solle nicht husten – das stört – braucht nicht zu verunsichern. Das würde hier im allgemeinen Pauken- Trompeten- und Streicherspiel zumindest im ersten Stück untergehen.
In der Pause gönnen wir uns mitten am Tag eine Weinschorle, mit Blick auf Hamburg – es geht uns gut!
Nach dem Konzert wirkt alles sehr unwirklich. Wir fahren die große Rolltreppe herunter, während Scharen von Touristen hoch auf die Plaza wollen. Es herrscht Trubel um die Elphie – wir sind wieder in der Realität und merken nochmal sehr deutlich wie schön es in der „Zwischenwelt“ war.